Persönliche Assistenz für Menschen mit Behinderung bildet eine zentrale Grundlage für ein selbstbestimmtes Leben. Sie ermöglicht es, den Alltag individuell zu gestalten, an der Gesellschaft aktiv teilzunehmen und persönliche Wünsche und Ziele unabhängig zu verfolgen. Diese Form der Unterstützung geht weit über die traditionelle Pflege hinaus und umfasst Bereiche wie Haushaltsführung, Freizeitgestaltung und berufliche Teilhabe.
Dieser Leitfaden bietet einen fundierten Überblick über die verschiedenen Aspekte der persönlichen Assistenz. Er erläutert, was persönliche Assistenz beinhaltet, welche Aufgaben sie umfasst und wie sie organisiert wird. Zudem werden die Vorteile, Herausforderungen und Möglichkeiten, diese Unterstützung in Anspruch zu nehmen, anschaulich dargestellt. Das Ziel ist es, Menschen mit Behinderung und ihre Angehörigen umfassend über diese wichtige Form der Unterstützung zu informieren und sie auf dem Weg zu mehr Selbstbestimmung zu begleiten.
Was ist persönliche Assistenz?
Definition und Konzept
Persönliche Assistenz ist eine Unterstützungsform für Menschen mit Behinderung, die darauf abzielt, ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Sie umfasst alle Bereiche des täglichen Lebens, in denen Hilfebedarf besteht. Dazu gehören unter anderem Körperpflege, Haushalt, Mobilität, Behördengänge und Kommunikation. Das Besondere an der persönlichen Assistenz ist, dass die Initiative von den Betroffenen selbst ausgeht. Sie organisieren ihre Hilfe eigenständig und entscheiden, wer wann und wie die Unterstützung leistet.
Das Konzept der persönlichen Assistenz basiert auf dem Grundsatz, dass Menschen mit Behinderung Experten in eigener Sache sind. Sie bestimmen selbst über die Gestaltung ihres Alltags und ihrer Assistenz. Dies umfasst verschiedene Kompetenzen:
- Personalkompetenz: Die Auswahl der Assistenzkräfte
- Anleitungskompetenz: Die Einarbeitung der Assistenten
- Organisationskompetenz: Die Planung des Tagesablaufs
- Finanzkompetenz: Die Verwaltung der zur Verfügung stehenden Mittel
Unterschied zu anderen Unterstützungsformen
Im Gegensatz zu herkömmlichen Hilfsangeboten oder sozialen Diensten liegt bei der persönlichen Assistenz die Kontrolle bei den Menschen mit Behinderung. Sie sind nicht passive Empfänger von Leistungen, sondern aktive Gestalter ihrer Unterstützung. Dies unterscheidet die persönliche Assistenz grundlegend von der Betreuung in Heimen oder durch Pflegedienste, wo oft wenig Raum für individuelle Wünsche und spontane Entscheidungen bleibt.
Die persönliche Assistenz ermöglicht es Menschen mit Behinderung, ein Leben nach eigenen Vorstellungen zu führen. Sie können selbst entscheiden, wann sie aufstehen, was sie essen oder wie sie ihre Freizeit gestalten möchten. Dies fördert die Inklusion und ermöglicht eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.
Rechtliche Grundlagen
Seit dem 1. Januar 2018 haben Menschen mit Behinderung in Deutschland einen Rechtsanspruch auf Assistenzleistungen im Rahmen des Bundesteilhabegesetzes (BTHG). Die rechtliche Grundlage für die Assistenzleistungen findet sich im Sozialgesetzbuch IX, insbesondere in den Paragrafen 78, 81 und 113 bis 116.
Der Anspruch auf persönliche Assistenz ist unabhängig von der Art der Behinderung, dem Alter oder der versicherungsrechtlichen Situation der betroffenen Person. Er umfasst alle Lebensbereiche, in denen Unterstützungsbedarf besteht. Dies schließt auch die Assistenz am Arbeitsplatz, in der Ausbildung oder bei der Kinderbetreuung ein.
Die Finanzierung der persönlichen Assistenz erfolgt in der Regel über die Eingliederungshilfe. Menschen mit Behinderung haben die Möglichkeit, die Leistungen als Sachleistung oder in Form eines persönlichen Budgets zu erhalten. Letzteres gibt ihnen die Freiheit, die Assistenz nach ihren individuellen Bedürfnissen zu gestalten.
Bereiche und Aufgaben der persönlichen Assistenz
Die persönliche Assistenz für Menschen mit Behinderung umfasst ein breites Spektrum an Unterstützungsleistungen, die darauf abzielen, ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Diese Leistungen sind individuell auf die Bedürfnisse der Assistenznehmenden zugeschnitten und können verschiedene Lebensbereiche abdecken.
Alltagsunterstützung
Die Alltagsunterstützung ist ein zentraler Bereich der persönlichen Assistenz. Sie hilft Menschen mit Behinderung bei grundlegenden Aktivitäten des täglichen Lebens. Dazu gehören Aufgaben wie Ankleiden, Essen, Körperpflege und Bewegung im Alltag. Diese Form der Unterstützung ist besonders wertvoll für Menschen mit starken körperlichen Beeinträchtigungen, da sie ihnen ermöglicht, ein möglichst selbstständiges Leben zu führen.
Die Haushaltsassistenz ist ein wichtiger Teil der Alltagsunterstützung. Sie umfasst Tätigkeiten wie Kochen, Einkaufen, Aufräumen, Reinigen der Wohnung und Wäschepflege. Die Assistenz übernimmt diese Aufgaben entweder vollständig oder unterstützt je nach Wunsch und Bedarf der Assistenznehmenden. Dabei ist es wichtig, dass die Arbeiten nach den Vorstellungen und Anweisungen der Menschen mit Behinderung ausgeführt werden.
Pflegerische Tätigkeiten
Die Pflegeassistenz ist eine häufige Form der persönlichen Assistenz, da sie elementare Grundbedürfnisse sicherstellt. Sie umfasst intime Lebensbereiche und erfordert ein hohes Maß an gegenseitigem Vertrauen und Sensibilität. Zu den Aufgaben können gehören:
- Begleitung bei Toilettengängen
- Anreichen von Essen, Trinken und Medikamenten
- Unterstützung beim Duschen, Baden, Zähneputzen und Rasieren
- Hilfe beim An- und Auskleiden
- Nächtliche Lagerung
Ein besonderer Bereich ist die medizinische Behandlungspflege, bei der medizinisch-pflegerische Aufgaben übernommen werden. Dazu können das Verabreichen von Medikamenten, das Geben von Spritzen, das Anziehen von Kompressionsstrümpfen sowie Katheter- oder Verbandswechsel gehören. Für diese Aufgaben werden in der Regel entsprechende Qualifikationen benötigt.
Mobilität und Freizeit
Die Freizeitassistenz ermöglicht Menschen mit Behinderung die Gestaltung ihrer Freizeit nach eigenen Wünschen und eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Sie kann Aktivitäten wie Zoobesuche, Partys, Sportveranstaltungen oder Wochenendtrips begleiten. Zur Freizeitassistenz gehört auch die Reiseassistenz, die Urlaube ermöglicht und bei der Planung, Organisation und Durchführung von Reisen unterstützt.
Die Mobilitätsunterstützung ist ein wichtiger Aspekt der persönlichen Assistenz. Sie hilft bei der Überwindung von Barrieren und ermöglicht die Teilnahme an Aktivitäten außerhalb der Wohnung. Dies kann das Schieben eines Rollstuhls, die Begleitung bei Außenterminen oder die Unterstützung bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel umfassen.
Arbeit und Ausbildung
Die Arbeitsassistenz unterstützt Menschen mit Behinderung bei ihrer beruflichen Tätigkeit. Sie gleicht behinderungsbedingte Nachteile aus und ermöglicht eine selbstbestimmte Teilhabe am Arbeitsleben. Die Kernarbeit wird dabei von der Person mit Behinderung selbst geleistet. Das Aufgabenspektrum richtet sich stark nach der ausgeübten Tätigkeit und kann beispielsweise Hilfe bei Außenterminen oder in nicht barrierefreien Umgebungen umfassen.
Organisation der persönlichen Assistenz
Die Organisation der persönlichen Assistenz für Menschen mit Behinderung kann auf verschiedene Weise erfolgen. Zwei Hauptmodelle haben sich dabei etabliert: das Arbeitgebermodell und die Nutzung von Assistenzdiensten. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit des Persönlichen Budgets, das eine flexible Gestaltung der Unterstützung ermöglicht.
Arbeitgebermodell
Im Arbeitgebermodell übernimmt die Person mit Behinderung selbst die Rolle des Arbeitgebers. Sie hat die volle Kontrolle über die Auswahl, Einstellung und Anleitung der Assistenzkräfte. Dies erfordert ein hohes Maß an Eigenverantwortung und organisatorischen Fähigkeiten. Der Mensch mit Behinderung muss sich um die Personalsuche, Vertragsgestaltung, Dienstplanerstellung und Lohnabrechnung kümmern. Auch die Abführung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen fällt in seinen Verantwortungsbereich.
Das Arbeitgebermodell bietet den Vorteil einer maximalen Selbstbestimmung. Die Assistenznehmer können genau festlegen, wer sie wann und wie unterstützt. Dies ermöglicht eine sehr individuelle und flexible Gestaltung der Hilfe. Allerdings erfordert dieses Modell auch ein hohes Maß an Kompetenzen und Zeit für die Organisation.
Assistenzdienste
Eine Alternative zum Arbeitgebermodell stellen Assistenzdienste dar. Diese Organisationen übernehmen viele der administrativen und organisatorischen Aufgaben. Sie stellen Assistenzkräfte ein, kümmern sich um die Lohnabrechnung und die Einsatzplanung. Menschen mit Behinderung können aus dem Pool der Assistenzkräfte des Dienstes wählen und behalten so ein gewisses Maß an Mitbestimmung.
Assistenzdienste entlasten die Assistenznehmer von vielen bürokratischen Aufgaben. Sie bieten oft auch Schulungen für Assistenzkräfte an und können bei Ausfällen schnell Ersatz organisieren. Der Nachteil kann in einer etwas geringeren Flexibilität und Selbstbestimmung im Vergleich zum Arbeitgebermodell liegen.
Persönliches Budget
Das Persönliche Budget ist eine Leistungsform, bei der Menschen mit Behinderung ein Geldbudget erhalten, mit dem sie selbstständig Assistenzleistungen einkaufen können. Dies ermöglicht eine große Flexibilität in der Gestaltung der Unterstützung. Die Budgetnehmer können entscheiden, ob sie ihre Assistenz im Arbeitgebermodell organisieren, Dienste beauftragen oder eine Mischform wählen.
Das Persönliche Budget fördert die Selbstbestimmung und ermöglicht eine bedarfsgerechte Unterstützung. Es erfordert jedoch auch ein gutes Finanzmanagement und die Fähigkeit, den eigenen Bedarf einzuschätzen und zu organisieren.
Die Wahl des passenden Organisationsmodells hängt von den individuellen Bedürfnissen, Fähigkeiten und Wünschen des Menschen mit Behinderung ab. Jedes Modell hat seine Vor- und Nachteile, die sorgfältig abgewogen werden sollten. Unabhängig vom gewählten Modell ist das Ziel immer, ein selbstbestimmtes Leben und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen.
Vorteile und Herausforderungen
Mehr Selbstbestimmung und Teilhabe
Persönliche Assistenz für Menschen mit Behinderung hat einen entscheidenden Einfluss auf die Lebensqualität der Betroffenen. Sie ermöglicht ein selbstbestimmtes Leben und fördert die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Durch die Unterstützung können Menschen mit Behinderung ihren Alltag nach eigenen Vorstellungen gestalten und aktiv am Leben in der Gemeinschaft teilnehmen.
Ein wesentlicher Vorteil der persönlichen Assistenz ist die Möglichkeit, den Wohnort frei zu wählen und das Leben ohne Bevormundung zu gestalten. Die Assistenznehmer können selbst entscheiden, wer ihnen wann und wie hilft. Dies führt zu einem Rollenwechsel, bei dem Menschen mit Behinderung aus der Stigmatisierung heraustreten und in die Funktion des Arbeitgebers wechseln können.
Die persönliche Assistenz unterstützt in verschiedenen Lebensbereichen wie Haushalt, Freizeit und Beruf. Sie ermöglicht es den Betroffenen, eigene Lebenswege zu gehen und Lebensräume selbstbestimmt zu gestalten. Dies hat einen positiven Einfluss auf die Inklusion und die gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.
Organisatorischer Aufwand
Trotz der vielen Vorteile bringt die persönliche Assistenz auch Herausforderungen mit sich. Der organisatorische Aufwand kann besonders im Arbeitgebermodell erheblich sein. Die Assistenznehmer müssen sich um die Personalsuche, Einstellung, Anleitung und Bezahlung der Assistenzkräfte kümmern. Dies erfordert Zeit, Energie und administrative Fähigkeiten.
Die Beantragung der persönlichen Assistenz ist oft ein langwieriger und komplexer Prozess. Es müssen verschiedene Dokumente eingereicht und Begutachtungen durchgeführt werden. Dabei müssen die Antragsteller sehr persönliche und intime Informationen offenlegen, was als belastend empfunden werden kann.
Die Organisation der Assistenz erfordert auch ein hohes Maß an Flexibilität und Kommunikationsfähigkeit. Es können Unstimmigkeiten zwischen Assistenznehmern und Assistenzkräften auftreten, die im schlimmsten Fall zu Kündigungen führen können. Die Suche nach geeigneten Assistenzkräften kann sich als schwierig erweisen und zu Ängsten führen, ob ein selbstbestimmtes Leben in der gewünschten Form weitergeführt werden kann.
Finanzierung
Die Finanzierung der persönlichen Assistenz stellt eine weitere Herausforderung dar. In Deutschland ist sie leider immer noch eine einkommensabhängige Sozialleistung. Das bedeutet, dass assistenzabhängige Personen zur Finanzierung ihrer Unterstützung herangezogen werden, wenn ihr Einkommen einen bestimmten Prozentsatz der jährlichen Bezugsgröße übersteigt.
Die Forderung nach einem steuerfinanzierten Leistungsgesetz zur Finanzierung von persönlicher Assistenz konnte bisher nicht durchgesetzt werden. Stattdessen gibt es in einigen Bundesländern, wie beispielsweise in Berlin, besondere Vergütungssätze zur Finanzierung der persönlichen Assistenz.
Um Leistungen der persönlichen Assistenz zu erhalten, ist in der Regel ein anerkannter Assistenzbedarf von mindestens fünf Stunden am Tag erforderlich. Die Vergütung variiert je nach Tageszeit und kann zusätzliche Pauschalen beinhalten. Die Einkommensgrenze, bis zu der keine Zuzahlungen geleistet werden müssen, hängt vom Beschäftigungsstatus und der Art des Einkommens ab.
Trotz dieser Herausforderungen überwiegen für viele Menschen mit Behinderung die Vorteile der persönlichen Assistenz. Sie ermöglicht ein selbstbestimmtes Leben, fördert die Teilhabe und erhöht die Lebensqualität. Die persönliche Assistenz bleibt ein wichtiges Instrument zur Umsetzung von Inklusion und zur Verwirklichung eines gleichberechtigten Lebens für Menschen mit Behinderung.
Schlussfolgerung
Die persönliche Assistenz hat einen tiefgreifenden Einfluss auf das Leben von Menschen mit Behinderung. Sie ermöglicht ihnen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen und aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Durch die Unterstützung in verschiedenen Lebensbereichen wie Haushalt, Freizeit und Beruf können Betroffene ihre eigenen Lebenswege gehen und Lebensräume nach ihren Vorstellungen gestalten. Dies führt zu mehr Inklusion und einer gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.
Trotz der Herausforderungen, die mit der Organisation und Finanzierung der persönlichen Assistenz verbunden sind, überwiegen für viele die Vorteile. Der organisatorische Aufwand und die komplexen Antragsverfahren können zwar belastend sein, doch die gewonnene Selbstbestimmung wiegt dies oft auf. Die persönliche Assistenz bleibt ein wichtiges Instrument, um Inklusion umzusetzen und ein gleichberechtigtes Leben für Menschen mit Behinderung zu ermöglichen. Sie trägt entscheidend dazu bei, die Lebensqualität zu verbessern und individuelle Lebensentwürfe zu verwirklichen.
FAQs
Welche Aufgaben übernimmt eine persönliche Assistenz?
Persönliche Assistenten helfen Menschen mit Behinderungen in verschiedenen Bereichen des täglichen Lebens. Ihre Tätigkeiten reichen von einfachen Erledigungen bis zur Unterstützung in Schule, Beruf und Freizeit sowie zur ganzheitlichen Betreuung.
Wer ist berechtigt, persönliche Assistenz in Anspruch zu nehmen?
Persönliche Assistenz ist eine Leistung, die vom Einkommen abhängt. Personen, die mehr als 85% des durchschnittlichen Einkommens verdienen oder eine Rente über 60% dieser Bezugsgröße beziehen, müssen einen Eigenanteil zahlen. Die genauen Regelungen zur Finanzierung finden sich in den §§ 135 ff.
Was kostet die Inanspruchnahme eines persönlichen Assistenten?
Die Vergütung für persönliche Assistenz liegt momentan bei 54,28 EUR pro Stunde tagsüber (zwischen 6:00 und 21:00 Uhr) und 57,81 EUR pro Stunde nachts.
Wer finanziert die persönliche Assistenz?
Die Kosten für eine persönliche Assistenz werden von verschiedenen Trägern übernommen, darunter Krankenkassen, Pflegeversicherungen, Versorgungsämter, Unfallversicherungen oder die Sozialhilfe. Es gibt spezielle Servicestellen, die bei der Auswahl des geeigneten Kostenträgers helfen.